Der Schlaf in Kunst und Literatur

Was eigentlich bedeutet der Schlaf für unsere menschliche Existenz? Auf mannigfache Weise nähern sich Künstler, Schriftsteller oder Philosophen dem komplexen und sensiblen Phänomen an und erheben den Schlaf zu einem kulturellen Gut.

Henri Julien Félix Rousseau, 1897, Schlafende Zigeunerin: In der Zeit seiner Entstehung wurde dieses Gemälde vom Publikum nicht verstanden und zurückgewiesen. Seine beunruhigende Wirkung entsteht durch die integrierten Symbole, welche unser Unterbewusstsein direkt beeinflussen. Heute gehört die ‚Schlafende Zigeunerin‘ zur Sammlung des New Yorker Museums of Modern Art.


„Wenn man aus inneren Gründen nicht schlafen kann: Um Himmels willen nicht schlafen wollen, nicht mit geballten Fäusten bis siebenunddreißigtausend-vierhundertundsechsundachtzig zählen! Sondern aus der Not eine Tugend machen! Man braucht ja nicht zu schlafen. Es ist auch so ganz hübsch. Nur nicht Wollen wollen; der Wille ist der ärgste Widersacher des Schlafes.“

 

HEINRICH SPOERL

Bild: Salvador Dali, Foto: Van Vechten, Carl, 1880-1964

short & sweet sleep!

Ein Hoch auf den Power Nap! Aber Achtung – wenn das Nickerchen zu ausgiebig ausfällt, mündet das womöglich in nachmittäglicher Trägheit. Man nehme sich ein Beispiel an Salvador Dali, der ein begeisterter Mittagsschläfer war. Zu diesem Zweck setzte er sich in einen Sessel und nahm einen Löffel in die Hand. Sobald er drohte, in einen anhaltenden Tiefschlaf zu verfallen, löste sich der Löffel zwischen seinen Fingern und fiel zu Boden. Dali erwachte und schritt herrlich erfrischt wieder zur Tat.

sleep while you can

Neben der Physik liebte Albert Einstein vor allem den Schlaf. Zwölf Stunden davon soll er sich täglich gegönnt haben und die hielten ihn keineswegs davon ab, zum berühmtesten Physiker des 20. Jahrhunderts zu werden. Mehr noch, das ausgiebige Verweilen in der Horizontalen, befeuerte offenkundig seine geistige Aktivität. So soll er die legendäre Formel ‚e=mc²‘ vor seinem geistigen Auge gesehen haben, als er gerade ruhte und vollends entspannt war.

 

Bild: Van Goghs Meisterwerk mag nicht unbedingt auf jeden eine beruhigende Wirkung haben. Was empfinden Sie beim Anblick des Bildes?

Bild: Gefangen in der medialen Landschaft bewegen wir uns wie Schlafwandler ohne Bodenhaftung durch die Zeit.

the big sleep

Im Jahr 2019 war der Schlaf, vielmehr der Film Noir Klassiker ‚the big sleep‘ von Howard Hawks, nach einer Romanvorlage von Raymond Chandler Titel und inhaltliche Klammer der 4. Biennale der Künstler im Münchener Haus der Kunst. ‚Der große Schlaf‘, so die deutsche Übersetzung, wird in der Literatur oft als Sinnbild für das Unbewusste verstanden. Hierin findet sich eine Parallele zum anhaltenden Zustand von Überforderung, der unsere heutige Gesellschaft prägt. 32 Künstler*innen artikulierten sich auf sehr individuelle Weise zu diesem Thema, dessen Relevanz in den letzten drei Jahren noch um ein Vielfaches an Bedeutung gewonnen hat.


„Es scheint, als würden wir Menschen einen umgekehten Schlaf schlafen: Unser Gehirn schläft, während unser Körper wach ist. Ständig zappelt er wie ein Hampelmann herum, während unser Gehirn paralysiert ist von zu vielen, zu gleichwertigen und zu widersprüchlichen Informationen in zu kurzer Zeit. Sie verändern die Dinge so schnell, dass alle unsere möglichen Reaktionen auf sie dazu verdammt sind, Vergangenheit zu sein, ohne jemals Gegenwart gewesen zu sein.“

 

DR. CORNELIA OSSWALD-HOFFMANN
- Kuratiorin der 4. Biennale der Künstler im Münchener Haus der Kunst -

NACHTWÄSCHE FÜR ERHOLSAMEN SCHLAF